Kommentar der Geislinger Zeitung:

Spätestens seit den Umtrieben der Zwickauer Nazi-zelle ist in Deutschland ein neues Bewusstsein gegenüber den Umtrieben der rechtsextremen Szene erwacht. Das war überfällig. Und es ist richtig und gut, dass es auch unterm Hohenstaufen zu einem Bündnis „Kreis Göppingen Nazifrei“ gekommen ist. Nun sollte dieses Bündnis allerdings noch eine Strategie entwickeln, wie es dem braunen Sumpf am besten begegnet und vor allem junge Menschen davor abhält, einer tumben Truppe Ewiggestriger zu verfallen, die vor Gewaltbereitschaft nicht zurückschreckt. Prävention steht hier an erster Stelle, denn nach den Untersuchungen des Esslinger Wissenschaftlers Kurt Möller liegt die Einstiegsphase in den Rechtsextremismus im Alter von zwölf bis 15 Jahren. Wie der Professor herausgefunden hat, steigen die meisten männlichen Jugendlichen über die Gewalt in die Szene ein – in Kombination mit Alkohol, so die polizeilichen Erfahrungen, ein gefährlicher Mix.

In Geislingen waren es aber nach ersten Erkenntnissen nicht die Rechten, die Gewalt provoziert, zwei Polizisten verletzt und einen Sachschaden von 15 000 Euro durch Brandanschläge am Bahnhof verursacht haben. Hier kam die Gewalt aus den Reihen der Nazigegner, die dummerweise und zur eigenen Bestürzung die Tarnkappe für Chaoten und Anarchos geboten haben. Letztere – und das sind die langjährigen Erfahrungen des Geislinger Revierleiters Manfred Malchow – nutzen solche Gelegenheiten, um ihre gewalttätigen Provokationen möglichst anonym auszuführen.

Zurück zur Strategie. Muss tatsächlich auf jeden öffentlichen Auftritt der Rechten mit einem Gegenauftritt reagiert werden? Wird genau damit nicht erst ein Podium geboten, das solche Parteien wie die NPD für ihre Außenwirkung brauchen? Zumindest in Geislingen war es so. Aus Demo und Gegendemo wurde ein großes öffentliches Ereignis. Dabei hätte die Macht der Ignoranz der Schwarzhemden-Truppe, die am Ostersamstag wie Fähnlein Wieselschweif vor den Forellenbrunnen in der Fußgängerzone einzog, allenfalls ein gequältes Lächeln der Passanten eingebracht.

Nicht nur Zeichen setzen und Pfeifen trillern lassen, sollte das Gebot von „Kreis Göppingen Nazifrei“ sein, sondern der tägliche Einsatz im direkten Umfeld mit Jugendlichen und Stammtischbrüdern: Aufklärung, Ansprache, sinnvolle Freizeitgestaltung, das Aufzeigen von Perspektiven und demokratischen Strukturen, gepaart mit Toleranz und der Integration Alleingelassener. Nur so kann brauner Sumpf trockengelegt und Gewalt verhindert werden.