Ungeachtet dessen, was sich heute Vormittag in der Göppinger Innenstadt abspielt, sollten sich alle, die Extremismus ablehnen, über eines im Klaren sein: Es darf nicht passieren, dass sich die Demokraten immer hitziger über den richtigen Weg im Kampf gegen extremistische Aktivitäten streiten, während sich die Extremisten selbst – egal ob von Rechts oder Links – ins Fäustchen lachen und Plätze und Fußgängerzonen der Stadt in ihr politisches Schlachtfeld verwandeln.

Rechtsextreme wollen heute wieder in Göppingen demonstrieren. Das ist ein Skandal, aber versammlungsrechtlich kaum zu unterbinden. Es ist davon auszugehen, dass Mitglieder des diese Woche gegründeten Bündnisses „Kreis Göppingen Nazifrei“ dem Grüppchen Rechtsextremer verbal die Stirn bieten werden. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange der Protest friedlich bleibt. Die Neonazis warten nur auf Krawall. Dann können sie empört mit dem Finger auf die anderen zeigen. Und sie werden wieder kommen, weil sie in Göppingen wahrgenommen werden. Denn genau das wollen und brauchen sie.

Das ist aber nur die eine Wahrheit. Die andere lautet: Wegzusehen ist auch keine Lösung. Insofern sollten alle, die etwas gegen extremistische Aktivitäten im Landkreis tun wollen, akzeptieren, dass es unterschiedliche Ansätze gibt, die ihre Berechtigung – und Wirkung – haben. Es ist zum Beispiel eine gute Idee des neuen Bündnisses, bei einer „Putzete“ die Stadt von den unsäglichen Nazi-Aufklebern zu säubern. Auch das Vorhaben, gezielt auf junge Menschen – gerade auch an den Schulen im Landkreis – zuzugehen, um über den Irrsinn extremistischer Ideologien aufzuklären, verdient Anerkennung.

Bedauerlich ist nur, dass sich das Bündnis bisher nicht durchringen konnte, nicht nur den Rechts-, sondern auch den Linksextremismus mutig ins Visier zu nehmen. Es ist zwar richtig, dass Linksextremisten im Kreis derzeit nicht sonderlich aktiv sind, doch es geht um die krude Gedankenwelt und die daraus resultierenden – langfristigen – Gefahren, die von allen Extremisten ausgehen.

Die von der Stadt umgesetzten Programme „Vielfalt tut gut“ und „Toleranz fördern, Kompetenz stärken“ sind ein äußerst wertvoller und gesellschaftlich breit angelegter Beitrag im Bemühen um ein weltoffenes Zusammenleben. Insofern ist die Kritik aus dem Bündnis, die beiden Programme seien für den Kampf gegen Rechtsextremismus ungeeignet, unzutreffend. Die meisten, die mit dem Bündnis Flagge zeigen wollen, wissen das.

Quelle: Südwestpresse